Industrie- und Betriebssoziologie

Die Industrie- und Betriebssoziologie hatte es ursprünglich, nach einer Definition von Ralf Dahrendorf, „mit dem Ausschnitt des sozialen Handelns zu tun, der durch die industrielle Güterproduktion gegeben ist“.[1] Sie wird aber heute (zum Teil unter dem neueren Terminus: Arbeits- und Industriesoziologie) weiter gefasst als eine Teildisziplin der Soziologie, die die sozialen Strukturen und das soziale Handeln im Bereich der betriebsförmigen Produktion von Gütern und Dienstleistungen und ihrer Umwelt zum Gegenstand hat.

Hatte Ralf Dahrendorf sie noch als eine „spezielle Soziologie der industriellen Gesellschaft“ angesehen,[2] so hat sie sich seit den 1980er Jahren nach einem „kognitiven und sozialen Identitätswandel“[3] neuen Problemlagen der industriellen Dienstleistungsgesellschaft (z. B. systemische Rationalisierung, globale Produktionsnetzwerke, Dienstleistungs- und Reproduktionsarbeit, Balance von Arbeit und Leben) geöffnet für die Untersuchung der „Formen und Folgen unterschiedlicher Arten von Arbeit in Betrieben und Verwaltungen und deren Wechselwirkungen mit der Gesellschaft insgesamt“.[4]

Unter dem Blickwinkel dieser Entwicklung erscheint eine Aufgliederung in eine Betriebssoziologie einerseits und eine Industriesoziologie andererseits als fragwürdig. Allerdings wird weiterhin die Ansicht vertreten, dass die Industrie- und Betriebssoziologie aus drei Teilbereichen besteht, die nachstehende Ausdifferenzierung rechtfertigt:

  • Die Industriesoziologie hat mit der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Industriebetrieben und Gesellschaften, mit der sozialen Struktur und Dynamik von Industriebetrieben, mit der Entstehung und Geschichte der Industrialisierung sowie mit deren Auswirkungen auf Arbeitswelt und Gesellschaft zu tun.
  • Die Betriebssoziologie hat mit Strukturen und Ordnungen in privaten und öffentlichen Leistungsorganisationen mit wirtschaftlicher Zwecksetzung zu tun. Ihr Fokus sind weniger die Wechselwirkungen zwischen Organisation und Gesellschaft als die Binnenstrukturen und -verhältnisse in den Organisationen selbst.
  • Die Arbeitssoziologie erforscht die Formen und Bedingungen menschlicher Arbeit generell.

Ihre jeweiligen Forschungsgebiete überschneiden sich. Gemeinsame Schnittmengen haben sie mit der Organisationssoziologie und der Wirtschaftssoziologie.

  1. Ralf Dahrendorf: Industrie- und Betriebssoziologie. de Gruyter, Berlin 1955, S, 5f.
  2. Ralf Dahrendorf: Industrie- und Betriebssoziologie, de Gruyter, Berlin 1955, S, 7.
  3. Gert Schmidt, Hans-Joachim Braczyk, Jost von dem Knesebeck (Hrsg.): Materialien zur Industriesoziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 24/1982, S. 18ff.
  4. Heiner Minssen: Arbeits- und Industriesoziologie. Campus, Frankfurt am Main 2006, S. 15.

© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search